Nationalpark 6.18 - Ornithologischer Verein Gais AR

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Nationalpark 6.18

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Alpen – Vögel – Tiere – Blumen – Wandern - Natur pur
 
Was die Stunden zwischen Samstag 7:10 h und Sonntag 20:05 h für die Gaiser Ornithologen alles im Gepäck hatten, war schlicht phänomenal.Ein Wochenende mitten im Nationalpark hatte 20 Teilnehmer zum Mitmachen begeistert.
 
Die ersten Beobachtungen gab's schon an der Stossbahnlinie: leuchtende Sonnen des weidenblättrigen Rindsauges grüssten vom Bahnbord.
 
Ursula Hochulis Reiseplan lief wie am Schnürchen. Über Altstätten - Landquart- Zernez war das altehrwürdige Hotel „Il Fuorn“ im Nationalpark in 3 ½ Stunden erreicht. Klare, frische Bergluft, eben Engadiner Atmosphäre mit Sichtung von zwei Adlern umfing die Ankommenden. Nach einigem Warten und einem Mittagessen vor dem Haus konnten auch die Letzten ihre Suiten oder Klausen beziehen.
 
Die „gemütliche“ Nachmittagswanderung zur Alp Grimmels überraschte mit allerlei Kräutchen und Sträuchlein: Erika, Sonnenröschen, Wiesenwachtelweizen, Brillenschötchen, gestreifter und gewöhnlicher Seidelbast, rostblättrige Alpenrose, Milchkraut, Gipskraut, Hornkraut, Steinnelke, Orchideen wie wohlriechende Handwurz, Korallenwurz, Hohlzunge, u.v.m. Von der Brücke über die Ova da Val Flur aus waren die ersten Hirsche, Gämsen und Bartgeier an den Hängen oben auszumachen. Nur langsam wurde die Höhendifferenz bezwungen, denn immer wieder waren Röbi Nagels Botanikkenntnisse gefragt. Endlich gaben die Waldbäume die Sicht auf die Murmeltierwiese frei. „Ein Zoo wo für einmal die Zuschauer in strikten Grenzen gehalten werden, während die Wildtiere allen Freiraum haben!“ Da unten tummelten sie sich denn auch, die Murmeltiere. Auch eine Ringdrossel liess sich blicken. Im Übrigen schien die Vogelwelt Mittagspause zu machen.
 
Der Heimweg ins Hotel war dann ohne Blumenpausen einiges kürzer.
 
Luft und Sonne, der Höhenunterschied zu Gais und das Bergwandern hatten Hunger gemacht. Die Speisekarte barg neben „plats tradiziunals“ auch viele weitere Köstlichkeiten. Aber es galt ja noch auf der Terrasse auf den Abendbesuch der Hirsche zu warten. Vorerst zeigten sie sich nur weit oben am Horizont oder auf den Grasborden zwischen den Schrunden des Munt La Schera. Dafür wartete der Mond mit einer Besonderheit auf. Seine momentane Besonnung liess am Rand einen Kraterrand hervorstehen: „Der Mond hat einen Henkel….“ Eine einzelne Fledermaus inspizierte kurz die fernrohr- und feldstecherbewehrte Schar, die nun die ersten Hirschkühe auf der Wiese ennet der Strasse entdeckte und sich dann bald darauf in die Schlafgemächer zurückzog.
Der Sonntagmorgen wartete mit idealem Wanderwetter auf, leicht bewölkt, nicht zu heiß, einfach super, um den Weg nach kurzer Postautofahrt von Buffalora aus unter die Füsse zu nehmen. Der breite Talboden und die Ova dal Fuorn waren bald überquert und nach kurzem Waldanstieg das ebenere Alpengelände erreicht. Zwei Teilnehmerinnen wählten aus Rücksicht auf Knie und Hüfte einen kürzeren Weg via Ofenpasshöhe und wurden mit einem Velorennen und Bananen aus der Verpflegungsstation belohnt…
 
Die andern machten die nächste Rast bei den  Eingängen zu ehemaligen Eisenminen. Einige Mutige liessen sich von der  Höhlenatmosphäre in die Tiefe locken, während die andern sich von der immensen Pflanzenvielfalt bezaubern liessen: Etwas Besonderes war die urtümliche Mondraute, ein Sporengewächs. Eine der Minen kann mit Führungen besucht werden. Da würde dann wohl einiges über den Pass mit den Öfen (Pass dal Fuorn) zu hören sein: Eisenerz, das verhüttet werden musste, Wälder (God dal Fuorn), deren Holz dafür geschlagen wurde, Kalköfen, von denen einer am Vortag, am „Grimmelsweg“, am ehemaligen Ofenpass-Saumweg, zu bewundern war.  
 
Am Punkt 2378 m ü. M. betrat man wieder geschützten Boden. Die vielen sanften Grasmulden bargen weitere botanische Besonderheiten, dreierlei Kugelblumen, Glocken- und Frühlingsenziane, Edelweiss, langspornige Stiefmütterchen, Mehlprimeln, Fettkraut, Alpenaster,….
 
Eine Gämse liess sich leider aufscheuchen und floh über die nächste Krete. Dafür waren die Murmeltiere weniger schreckhaft.
 
Aber ein ganz aussergewöhnliches Highlight erlebten die Gipfelstürmer, die den Munt La Schera zusätzlich „noch im Gepäck“ hatten. Sie wurden Zeugen wie ein Murmeltier sich ausgiebig an einem Alpenschneehuhn gütlich tat, eine Tatsache, die die Vegetarier in der Gruppe schockierte und das Bild über den sanften Nager ins Wanken brachte. Sind die Munggen nun Vegetarier oder nicht? Und wie war der Mungg zu seiner Mahlzeit gekommen? Hatte der Adler nachgeholfen?
 
Unterdessen war der Rest der Gruppe direkt zur Alp La Schera abgestiegen, und hatte dort, wieder von der strengen Abgrenzung aus, andere, „konforme“, vegetarische Munggen beobachtet….
 
Nach ausgiebiger Verpflegung und Siesta im Gras bei der Wächterhütte, und nachdem auch noch das Eberreisblättrige Greiskraut bestimmt war, folgte der gemeinsame Abstieg durch den Wald nach Il Fuorn. Aber auch hier gab es immer wieder Überraschungen: ein Föhrenstamm, der rundherum mit waagrechten Rillen in gleichen Abständen geziert war, das Werk eines Dreizehenspechts. Dann die sanften Sternchen der Moosaugen, die mit feinstem Duft belohnten, wer sich zu ihnen hinabbeugte, sogar die dekorative Alpenrebe zeigte sich im „Ofenwald“ und vieles vieles mehr.
 
Leider war dann die Talsohle doch wider Erwarten bald erreicht mit Autolärm und Töffgebrumm.  Im Hotel wartete nochmals eine Stärkung und gegen 17 h kletterten alle reich beschenkt und voll von beglückenden Erlebnissen ins Postauto. Röbi, der so gekonnt die Wanderungen geführt hatte, stand an seinem Zimmerfenster, winkte und freute sich wohl auf seine wohlverdienten, ruhigen Ferientage….
 
Dass die zwei Nationalparktage bei den Gaisern noch lange nachklingen werden; und dass hie und da im Alltag Erinnerungen an fröhliche, interessierte Naturkundler und an tausend schöne Kontakte mit Flora und Fauna aufleuchten werden, daran ist kein Zweifel.
 
Text: Katharina Germann
Fotos: Robert Vetter
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