Exkursion Engadin
Vogelschutz
Exkursion im Vorfeld des Morteratschgletschers 24. u.25 Sept. 2022
Erlebnis mit allen Sinnen
Mitglieder
und Zugewandte des Ornithologischen Vereins (OV) Gais reisten Ende September für
zwei Tage in das Gebiet rund um Bever, Samedan und Pontresina im Oberengadin. Die
Landschaft dort ist geprägt vom Berninamassiv, den Gletschern in den
Seitentälern und dem Lauf des Flusses Inn mit Seen und Auenlandschaften.
Der
Glaziologe Felix Keller, der in Samedan an der Academia Engiadina das Institut
für Angewandte Glaziologie (ZAG) leitet, führte durch die zwei Tage. Von Beginn
weg vermochte er die gut zwanzig Teilnehmenden mit seinen lebendigen und
interessanten Ausführungen in seinen Bann zu ziehen.
Vom Bahnhof Bever aus ging es direkt zum Fluss Inn, der komplett revitalisiert worden ist und nun auf einer Strecke von 2.2 km wieder in einem naturnahen Flussbett fliessen darf. Dadurch sind wertvolle, bezaubernde Lebensräume entstanden: Kiesbänke, die regelmässig überflutet werden und deshalb nicht einwachsen, unterschiedliche Wassertiefen und Fliessgeschwindigkeiten sowie verschieden steile Ufer. Seltene Vögel, wie der Flussuferläufer und der Flussregenpfeifer, können hier nun wieder erfolgreich brüten, die Äschenzahl hat sich verdreifacht und sogar Biber und Fischotter sind eingewandert.
Die Eindrücke des Tages wurden in der Jugendherbere Pontresina bei einem guten Abendessen eifrig weiter diskutiert. Vorfreude auf die am folgenden Tag geplante Exkursion zum Morteratschgletscher war spürbar.
Vor der imposanten Kulisse des Piz Bernina, dem einzigen Viertausender der Ostalpen, führt der Weg zum Gletscher. Tafeln lassen in vergangene Zeiten eintauchen. Sie geben in Jahrzehnt-Schritten Zeugnis bis wohin das Eis früher reichte. So realisiert man wandernd, dass der Gletscher seit Messbeginn (1887) 2.5 km an Länge eingebüsst hat. Die Moränen, Schutthalden an beiden Talseiten, zeigen deutlich wie hoch der Gletscher einmal war. Es ist überwältigend wie klein der Mensch daneben ist.
Wiederum
wusste Felix Keller viel zu erzählen: Gletscher sind stetig talwärts fliessende
Eismassen mit Eisbildung im Nährgebiet (oberer Teil) und Schmelzvorgängen im
Zehrgebiet (beim Gletscherende). Sie sind über die Temperatur und den
Niederschlag stark klimaabhängig. In gletscherungünstigen Jahren, z.B. in
warmen, niederschlagsarmen Sommern wie dieses Jahr steigt die
Gletscher-Schneegrenze überdurchschnittlich hoch hinauf, so dass sich die
Nährgebietsflächen markant verkleinern und sich das Zehrgebiet deutlich
vergrössert. Unter solchen Bedingungen schwinden die Eisreserven schnell,
beträgt doch die Abflussmenge an einem Hitzetag bis zu einer Million Tonnen Wasser
– eine kaum vorstellbare Grösse. Laut Keller bräuchte es unter den heutigen
Klimabedingungen jährlich 20 m Neuschnee im Berninamassiv, damit die Masse des
Gletschers stabil bliebe. Der weltweit beobachtete Gletscherschwund ist also auch
hier deutlich ersichtlich.
Seine
Erzählungen dazu waren so bildhaft, dass man das Gefühl hatte, selber in diese
Wunderwelt einzutauchen. Dieser Eindruck verstärkte sich als er seine Geige
auspackte und eine stimmungsvolle Melodie spielte. Sie schaffte Verbindung
unter den Anwesenden und mit der Natur.
Damit
vermittelte Felix Keller einen kleinen Höreindruck zur Musik der von ihm
gegründeten Swiss Ice Fiddlers, einer Gruppe von Musiker:innen, denen das Thema
Klimaschutz eine Herzensangelegenheit ist. Mit ihrer im Freien gespielten Musik
möchten sie Menschen zum Handeln für das zukünftige Klima motivieren.
Gemütliches
Beisammensein bei Kaffee und Kuchen – begleitet von einigen weiteren Swiss Ice
Fiddler Musikstücken, die Felix Keller und seine Partnerin zum Abschied
spielten – rundeten das Wochenende ab. Voll von vielfältigen Eindrücken und anregendem
neuem Wissen machte sich die Exkursionsgruppe auf den Heimweg. Es wird noch
lange nachklingen...
Text
u. Fotos S. Lutz